17. bis 23. August, 2017 – China (Xinjiang Region)
Wie kommt man durch China mit dem eigenen Fahrzeug?
Wie viele wissen, braucht man für China einen Guide wenn man mit dem eigenen Fahrzeug durchfahren möchte. Dies ist ein grosser organisatorischer und finanzieller Aufwand, den wir jedoch nicht scheuten, damit wir die Route so fahren konnten wie wir es gemacht haben. Einzige Alternative um nach Indien zu kommen, ist vom Süden Irans durch Pakistan zu fahren, aber damit hätten wir sehr viel interessante Länder verpasst.
Unsere Gruppe organisierten wir bereits ca. 8 Monate im Voraus über das Horizon Unlimited Forum und diverse Facebook Gruppen. Da man spätestens zwei Monate vor Einreise alles geregelt haben muss, war dies für uns eine relativ entspannte Lösung.
Einreiseprobleme
Wir fuhren einer Schlange von 1 km stehenden Lastwagen entlang und konnten uns zuvorderst am Gitter niederlassen. Wir warten im Schatten bis die Chinesen die Grenze nach der Mittagspause wieder öffneten. Diese Öffnungszeiten sind in China immer sehr speziell, da alles nach Shanghai Zeit läuft (es gibt also immer irgendwie zwei Zeiten von denen die Locals sprechen), was in Kashgar eine ziemlich merkwürdige Uhrzeit ergibt.
Nach einer raschen Passkontrolle war es uns erlaubt auf das Grenzgelände einzufahren. Zwei sehr grosse Gebäude standen am riesigen betonierten Platz und keine Menschenseele war zu sehen. Nach einer Weile kamen chinesische Soldaten und kurz darauf tauchte unser Guide Taher auf. Wir erklärten ihm Cristianos Problem. Da die Importpapiere von Cristianos Motorrad fehlerhaft waren, durfte er Kirgistan nicht verlassen. Nun erfuhren wir, dass ein Einreisen nur mit allen als Gruppe gemeldeten Personen und Fahrzeugen möglich sei. Abweichungen dürfe es zum gestellten Antrag keine geben. Kämen Cristiano und Sabrina nicht mit, würde das Ganze scheitern. Es täten sich grosse Probleme mit Rückreise, Taxen, ablaufenden Visa etc. auf. Wir warteten also sehr angespannt weitere 2 Stunden und besprachen alle möglichen Szenarien mit Taher.
Zurück nach Kirgistan?
Dann war die Geduld der Grenzsoldaten erschöpft – sie schickten uns zurück nach Kirgistan. Einige fuhren ab, andere versuchten Cristiano zu erreichen. Es gingen etliche SMS hin und her bis dann das erlösende „ I’m coming right now“! von Cristiano eintraf. Nun musste dies aber sofort geschehen – die Grenzsoldaten wollten nicht mehr warten. Nach weiteren SMS war die Gruppe dann endlich wieder komplett am Chinesischen Zoll. Wir konnten unser Glück kaum fassen, schnallten unser Gepäck ab und übergaben es mitsamt Pässen zur Kontrolle. Bus und Motorräder wurden später in einem grossen Hangar aufgestellt und sie sowie das Gepäck mit einem riesigen Röntgengerät durchleuchtet.
Danach packten wir alles wieder zusammen und fuhren weiter. Die Strasse war in einem sehr guten Zustand. Überal gab es Schilder und Kameras, sowie fast lückenlos Leitplanken. Nach 100 km passierten wir den nächsten Checkpoint. Nach weiteren 20 km erreichten wir den zweiten richtigen Zoll, gerade noch bevor es total dunkel wurde. Dort wurden wir nun offiziell eingetragen und Pass, Visum und Gepäck nochmals kontrolliert. Abgeben mussten wir nur eine Büchse Thunfisch, den Rest durften wir behalten. Für heute war Feierabend und wir parkten unsere Motorräder auf der Rückseite des Gebäudes. Das Nötigste wurde in einen Bus geladen, der uns ins nächste kleine Dorf brachte.
Dort gab es zwei Hotels, die Ausländer beherbergen durften. Für alle hatte es aber nicht mehr genügend Platz. Also weitere 1,5 km nach Kasghar gefahren und dort kurz nach Mitternacht im Sultan Hotel einquartiert, welches für unsere Verhältnisse ein Luxuspalast war. Abendessen wurde uns erst nach Xenias Intervention zugesichert. Wir waren alle sehr müde, aber essen wollten wir vor dem Schlafen alle noch etwas. Wir bezogen unsere Zimmer, trafen uns danach wieder in der Lobby und gingen auf die Suche nach einem Essen und wenn möglich einem Bier. In einem kleinen Restaurant erhielten wir etwas zwischen die Zähne und Apfelsaft. Danach freuten wir uns alle auf unsere Betten.
Kein Kaffee
Nach einer sehr kurzen Nacht klingelte uns der Wecker aus dem Bett. Beim Frühstück gab es keinen Kaffee aber viel salziges und fettes chinesisches Essen. Die Meisten von uns hatten keine Lust auf fettige, gebratene Nudeln so früh am Morgen. Danach fuhren wir mit Taher wieder zum Zoll, wo wir die Pässe wieder abgeben mussten und unserer Motorräder und unser Gepäck Desinfektionsmittel besprüht wurden. Nach 2 Stunden Warten gingen wir ins Nachbardorf, wo uns auf einem riesigen Drehteller leckeres Essen auf 7 verschiedene Platten serviert wurde.
Checkpoint‘s und 5 Sternhotel
Nun stand eine Parkbesichtigung auf dem Programm. Eintrittstickets gab es nur gegen Vorweisung der Pässe. Wir besichtigten Shipton’s Arch, einen riesigen Felsbogen zwischen Felswänden. Ziemlich eindrücklich. Unterwegs sorgten Bergziegen für Steinschlaggefahr. Ganze Gruppen Militärs rannten zu Trainingszwecke den Weg rauf und runter, hielten bei uns an und baten um Selfies. Wieder mussten wir zum Zoll, um unsere restlichen Sachen mitzunehmen und ins Hotel zu bringen. Die Hin- und Herfahrt dauerte 2 Stunden, und wir wurden unterwegs bei 5 Checkpoints aufgefordert auszusteigen und durch Metall- und Passscanner zu gehen. Vom Sultan Hotel wurden wir ins 5 Sterne-Hotel Tyenn Chuan umquartiert. Dort angekommen machten wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Wir landeten in der wohl günstigsten Garküche der Gegend, die von Uyguren betrieben wurde. Diese lachten und freuten sich darüber, dass wir Touristen dort assen und wir genossen ausgezeichnete Nudeln und waren froh nicht in dem schicken Hotel essen zu müssen. Unsere Kleidung wären wohl nicht adrett gewesen.
Am andern Tag wechselten wir auf Veranlassung von Cristiano und nach Absprache mit Taher erneut ins Sultan Hotel, da dieses näher dem Stadtzentrum lag. Von dort aus konnten wir dann bequem zu Fuss die Altstadt von Kashgar ansehen, etwas essen gehen und die Zeit im Hotel fürs Arbeiten nutzen.
Ein Lächeln versteht man in allen Sprachen
Am Vormittag wurden wir zum grossen Sonntags-Tiermarkt in Kashgar gefahren. Einer der ältesten und grössten Tiermärkte überhaupt. Hier wurden Lastwagen voller Kühe, Bullen, Yaks, Esel, Schafe und Ziegen entladen. Die Bullen sprangen nicht ganz freiwillig von den hohen Ladenflächen der Laster runter. Es brauchte jeweils drei Männer. die unter viel Geschrei zogen und schoben. Eine alte Frau liess sich von uns fotografieren und erklärte uns lachend auf uygurisch, dass sie hier Schafe scherte – und das tat sie sehr geschickt von Hand. Wirklich verstanden haben wir kein einziges Wort, aber durch ihre Gesten verstanden wir was sie meinte. Ihr zahnloses Lachen war ansteckend und die Begegnung mit Ihr wird für uns eine der schönsten in China bleiben.
Die Männer trugen fast ausnahmslos einen Anzug – zwar etwas zu gross geschnitten, aber doch elegant und overdressed wirkend für einen Viehmarkt. Später besuchten wir das Apak Hodscha Mausoleum, 400-jährig und letzte Ruhestätte des mächtigen regionalen Herrschers und religiösen Führers Hazrat Apak. Bei einem Nebengebäude wurde jede Säule von einem anderen Uygurischen Schreinermeister hergestellt und verziert. So entstand eine interessante Sammlung von traditionellen Holzschnitzarbeiten.
Der Basar
Auch den Basar von Kashgar wollten wir sehen und mischten uns dort unter die Menschenmenge. Von Gewürzen über Kleider und Stoffe bis zu pinken, chinesischen Plastiksachen gab es alles zu kaufen. Martin fand einen Schuhmacher und erstand für seine fake Adidas-Schuhe neue Einklagesohlen in echtem Leder für 10 Yen. Die alten lösten sich bereits auf. Käufer und Verkäufer waren hochzufrieden über den getätigten Handel. Vom Basar ging es durch die Altstadt wieder zurück ins Hotel.
Elektroroller und Schlagstöcke
In der ganzen Stadt waren nur kleine Elektroroller zu sehen, die höchstens 30km/h fahren dürfen und sich die mit Zäunen versehenen Gehwege mit den Fussgängern teilen. Benzinroller wurden verboten, weil es zu viele Unfälle gab. Überhaupt gab es überall Zäune, Tore, Barrieren, Stacheldraht, Kameras und Polizei. Letztere kontrollierten alles und jeden beim Betreten eines Basars, einer Unterführung oder eines Einkaufszentrums. Auch in jedem Hotel gab es einen Metalldetektor, Scanner fürs Gepäck und mindestens drei der schwarz gekleideten Hilfspolizisten mit roter Armbinde, die Schutzschilder und Schlagstöcke in Reichweite. Ziemlich gewöhnungsbedürftig das Ganze.
7 Liter Teekannen zum Tanken
Um 12.30 sollten wir unsere Motorräder am Zoll abholen. Dort angekommen warteten wir 2 Stunden. Wir konnten schlussendlich das Zollgelände verlassen und gingen tanken. Ein wahrlich spezielles Prozedere. Das Motorrad musste in einem separaten, abgeriegelten Bereich abgestellt werden. Das Benzin wurde dann in einer überdimensionierten Teekanne von der 15m entfernten Tanksäule herangeschleppt und beim Einfüllen grosszügig daneben verteilt. Danach gings nach Kashgar, wobei wir ohne Taher auf der Autobahn fahren durften. Allerdings verpassten wir die Ausfahrt, nach welcher Motorräder nicht mehr erlaubt waren. An der Polizeikontrolle bei der Ausfahrt gab es aber erstaunlicherweise keine Probleme. Taher führte uns zu unserem Hotel zurück.
Halbe Freiheit für 299km
Der einzige richtige Fahrtag mit eigenem Motorrad durch China fing früh an. Es regnete leicht und war kühl. Wir verabschiedeten uns von Taher und ein neuer Guide fuhr mit dem Auto voraus, welchem wir auf dem ersten Streckenteil hinterher fahren mussten. Auch auf einer sehr gut befestigten, schnurgeraden Strasse durfte während längerer Zeit nicht schneller als 40km/h gefahren werden. Warum weiss keine Sau. Endlich durften wir dann ohne Guide zum nächsten Checkpoint fahren, wo wir nur mit seiner Begleitung passieren konnten. Mittagspause machten wir am Karakol See mit seinem grün-blauen Wasser und den schneebedeckten Bergspitzen im Hintergrund. Auf dem letzten Stück durften wir erneut frei fahren und so kam sogar ein bisschen Fahrfreude auf. Vor Taxkorgan übernahm der Guide wieder die Führung und wir fuhren direkt zum Zolllager, wo unsere Motorräder noch am selben Abend registriert, gewogen und zum Export angemeldet wurden. Danach checkten wir in ein heruntergekommenes Hotel ein, welches nur kaltes Wasser zum duschen anbot. Zu unserem entzücken gab es dafür gratis Kondome auf dem Nachttisch. Wir zogen ein weiteres mal das einfach Uygurische Restaurant dem Chinesischen vor. Die Betreiber waren sichtlich über die fremden Gäste erfreut.
Hauptsache Bürokratie
Beim Auschecken aus dem Hotel, erhielten wir eine Frühstücksbox mit nicht wirklich essbarem Inhalt. Jedenfalls verbesserten die entnommenen Proben den Zustand, des immer noch lädierten Magens von Martin nicht wirklich. Beim Zolllager gab es ein Problem. Die beim Import zu jedem Fahrzeug auf einer grünen Karte geladenen Daten wurden für falsch befunden. Unser Guide musste alle Daten nochmals per Mail an die Zollstelle schicken, wo sie korrigiert und erneut auf die Karten geladen wurden. Seine Hilfe war dabei nicht gross, so versuchten wir selber das Ganze zu beschleunigen.
Motorrad auf der Waage
Die Motorräder mussten wieder gewogen werden, wobei das Vorgehen bei uns ziemliches Kopfschütteln hervorrief. Mit dem Gewicht von Xenias Motorrad waren sie nicht zufrieden. Sie musste mit dem Vorderrad von der Waage runter. Nun war es immer noch zu schwer. Also weiter runter mit dem Motorrad, dafür stand ein Beamter auf die Waage. Immer noch zu schwer. Am Schluss befand sich das Motorrad noch knapp mit dem Hinterrad auf der Waage, dafür standen Xenia und 2 Zollbeamte auf der Plattform. Das nennen wir mal eine anständige, präzise Kontrolle! Diese Prozedere wurde bei allen 5 Motorrädern in ähnlichem Stil durchgeführt.
Gegen12.30 konnten wir zur zweiten Zollstelle fahren, wo sie uns knapp vor der Mittagspause reinliessen. Wir mussten warten, hatten keine Yen mehr und forderten deshalb unseren tollen Guide auf, uns ein Mittagessen und je eine Flasche Wasser zu bezahlen. Nun ging aber das wägen der Motorräder von vorne los, erst danach kamen wir zu einem Mittagessen. Danach kehrten wir rasch zur Zollstelle zurück, denn alle (ausser unserem trägen Guide) waren interessiert daran, möglichst rasch abgefertigt zu werden und endlich das Land verlassen zu können. Erst um 17.30 konnten wir in der Gruppe und von einem Militär eskortiert zum Grenzpass hochfahren, der ca. 120km entfernt war. Dort hatten sie Computerprobleme und konnten uns so nicht ausreisen lassen.
Das Tor zu China klemmt
So wurden wir einmal mehr aufgefordert zu warten. Die Sonne ging unter und die Weiterfahrt nach Pakistan würde risikoreicher. Endlich erhielten wir unsere Pässe zurück und begaben uns zu einem grossen eisernen Tor. Dieses versuchten die Soldaten vergeblich aufzuschliessen. Weder kräftige Flüche, WD40 noch andere Mittel nützten etwas – China wollte uns nicht rauslassen. Ein Funkspruch und 15 Minuten später erschienen drei weitere Grenzsoldaten, die das Schloss mit einem gröberen Werkzeug aufkriegten. Endlich! Wir starteten die Motoren und fuhren ohne zu halten unter dem riesigen Torbogen hindurch bis zum Pakistanischen Grenzposten. Die Sonne war weg und wir befanden uns auf über 4700 Meter über Meer. Wir werden wohl im Dunkeln den Pass runter fahren müssen und ein Platz zum schlafen finden müssen?
Interessant aber nicht nochmal
China war für uns geprägt von vielem Warten, sehr mühsamen Kontrollen, vielen technischen Problemen beim Papierkrieg der Chinesen und einigen wirklich enorm unfreundlichen Leuten. Jedoch war die Zeit in Kashgar sehr spannend und wir sind froh, konnten wir wenigstens ein kleines Stück dieses riesigen Landes sehen. Nochmals mit dem eigenen Fahrzeug durchfahren, kommt für uns jedoch definitiv nicht in Frage!
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